Wer kennt sie nicht, die faszinierenden Bilder aus Serbien, die in einem die Sehnsucht entfachen ebenso ein solches Derby beizuwohnen. Problem hierbei? Nun ja, der Verband gibt die Termine sehr kurzfristig bekannt, sind es in der Regel ganze fünf Tage vorher. Sicher es ist auch möglich ein ganzes Wochenende abzudecken und ein verlängertes WE in Belgrad zu verbringen, das lässt mein schmales Urlaubs- und Geldkonto jedoch nicht zu. Dass wir fünf Tage vorher für die Flüge nur 150€ hinblättern müssen, ist sensationell günstig und die 23 Stunden im Balkan konnten losgehen.
Also fast, ganz so einfach ist es nicht. Am Samstag klingelte der Wecker tief in der Nacht, der Hund jaulte und freute sich ebenso wenig über meine Abwesenheit als ich über die Zugfahrt nach Düsseldorf. Nach 10 Minuten Bahnfahrt kam uns ein verwirrter Rentner entgegen, ohne Ticket und mit dem Auftrag der Schaffner sich sofort online ein Ticket zu kaufen. Wir nahmen uns der Sache an und wollten ein paar Sozialpunkte sammeln. Achim besaß zwei internetfähige Mobiltelefone (WLAN-freier Eurozug), soweit so gut. Das eine so schwer, dass es am Stadioneingang als Wurfgeschoss beschlagnahmt würde, wollte nicht so ganz mit unserem Hotspot kooperieren. Das Zweite, neuere Handy besaß Internet, war aber dafür noch nicht eingerichtet und die fehlenden Login-Daten sorgten für erste Spannung bei den mittlerweile hinter uns wartenden Zugbegleitern. Letzte Option war also, dass 116€ (!) teure Ticket selbst in unserer App zu erwerben. Bargeld hatte der Herr genug dabei, macht man ja trotzdem nicht gerne, und führte zum leichten Zögern meinerseits. Achim nahm dies zum Anlass mir 140€ zu reichen (120 hätte ich auch akzeptiert, ja!) ein Ticket auf Rechnung von der DB hätte ihm anscheinend mindestens das Doppelte gekostet, also kam er mit der Summe nach Köln noch ,,günstig“ bei weg. EL ließ die Summe im Laufe der Fahrt und des Gesprächs noch etliche Male fallen, um den Ärger und Frust noch etwas anzuzünden.
FK Zemun 2:2 FK Jedinstvo Ub – 20.09.2025, 16:00 Uhr – Stadion Zemun ~ 250 Zuschauer
Der Flug war schnelllebig und der Zeitplan für den Samstag eng, sodass wir nur kurz im Hotel eincheckten und mit dem Bus uns zum ersten Spiel des Tages aufmachten. Der öffentliche Nahverkehr ist seit dem 1. Januar (2025) in Belgrad kostenlos (Ausnahme Flughafenbus, kostet 400 RSD), eine Maßnahme um die Bevölkerung etwas zu besänftigen in der aktuell hochpolitisch brisanten Lage des Landes (selbst wir sahen bei unserer kleinen Bustour hunderte Militärfahrzeuge). Dass die Ticketeinnahmen nur 10 % der Kosten gedeckt haben sollen und angeblich bis zu ¾ schwarzgefahren sind, sollen weitere Entscheidungsgründe sein. Für uns als Touris natürlich toll, auch wenn der Bus nicht sehr zügig vorankam und wir ganze vier Minuten zu spät am Ground erschienen. Zählt damit mein 50. Länderpunkt überhaupt? Entscheidet selbst.
Das ranzige Zemun Stadion fasst fast 10.000 Plätze und ist durchaus eine Perle. Neben der generellen Ranzigkeit und Baufälligkeit, der großen Sitz-Haupttribüne gibt es eine kleine ,,Holztribüne“ mit Bänken, die die lokalen Rentner Unterschlupf bietet. So ganz genau mit der Pünktlichkeit nimmt es scheinbar auch nicht der Heim-Mob, der in voller Mannstärke (~30) weitere fünf Minuten nach uns erschien. Nach den ersten fünf Minuten Support wurden einige Fackeln und 1-2 Rauchtöpfe angeworfen und sorgten für Überraschung in unseren Gesichtern. Danach flachte der Support merkbar ab und wurde irgendwann in der zweiten Halbzeit auch ,,eingestellt“. Die serbische zweite Liga bietet da auch wirklich nicht so viel Spannung, sodass die Motivation dauerhaft hochgehalten werden kann. Auf dem Feld war das Niveau zwar schlecht, aber spannend: Die Gastgeber gaben ein frühes 2:0 noch aus der Hand und kassierten spät den Ausgleich.
Ab zum Derby.
FK Partizan Belgrad 1:2 FK Roter Stern Belgrad – 20.09.2025, 19:00 Uhr – Stadion Partizan
Taxifahren (auch generell) ist hier nicht billig wie sonst im Balkan, zahlt man für 20 Minuten doch auch fast 20€. Nützt nichts, waren wir eine Stunde vorher schon recht spät am Stadion Partizan. So viele Polizeibeamte in voller Ausrüstung an allen möglichen Zugängen habe ich noch nie beobachten dürfen, der Zutritt und die Kontrolle selbst dagegen war nichts. Es gab einfach keine Kontrolle. Unsere Plätze auf der Gegentribüne kosteten 18€ und waren online zum Vorverkaufsstart sehr leicht zu ergattern. Das Stadion war zwar annähernd ausverkauft, an die Tickets kommt man im Vorfeld allerdings leicht. Sitzen war natürlich nicht möglich, da jeder stand, sodass eine genaue Sitzplatzzuweisung hinfällig war. Das Stadion und seine euphorisierten Fans erinnerten etwas an das Thessaloniki-Derby im Stadion von PAOK in Griechenland. Der große Unterschied sind die erlaubten Gästefans, die mit ordentlichem Sicherheitsabstand fast eine ganze Hintertortribüne erhalten (haben). Zvezda hatte gut angeflaggt. Allerdings machte Partizan auf allen Tribünen bereits vor Anpfiff extremen Alarm und ließ die Augen erstmal weg vom Gästeblock schweifen. Ein bisschen Mitsingen und Arme bewegen, sollte selbstverständlich sein, man möchte ja nicht komplett unter den vielen (deutschen) Hoppern auffallen.
Delije von Zvezda zeigte ein Banner mit mythischen vermummten Kämpfern umgeben von kleinen Pappschildern in den Vereinsfarben und dem Schriftzug ,,Wir sind die Stärksten“. Im Intro der Grobari (Partizan) wehten etliche kleine schwarz-weißen Fähnchen im Wind und fast zeitgleich jagte Partizan massiv schwarzen und weißen Rauch in die Luft, vermischt mit vereinzelten Böllern und wenigen Fackeln. Das Spiel ging zwar kurz los und es schien so als trotz etlichen Nebels einfach weitergespielt werden sollte, wurde dann aber doch etwa fünf Minuten unterbrochen. Das komplette Spielfeld und Stadion war eingenebelt und die Partizan Anhänger feierten munter lautstark weiter. Als es weiterging, wurde schnell deutlich, dass Roter Stern die technisch deutlich stärkere Mannschaft ist und das Heft in die Hand nehmen wird.
Die Sponsoreinnahmen bei Zvezda sind seit Jahren um ein Vielfaches höher als die des ungeliebten Nachbarn. Aktuell scheint Partizan so große finanzielle Probleme zu haben, dass das aktuelle Team fast nur noch aus Spielern aus der eigenen Jugend besteht. Nach rund einer halben Stunde ging Roter Stern verdient in Führung, die Spielanlage war einfach besser, mit Elsner, Arnautovic oder Veljkovic standen auch sehr bekannte Namen auf dem Feld. Das Tor führte natürlich zu etlichen angerissenen Fackeln im Gästeblock, die kurze Zeit später noch eine geordnete Rauchshow in Rot/Weiß darbot, auch das sah sehr ordentlich aus.
Nach der HZ ging es weiter und ein weiterer martialischer Schriftzug ,,Die stärksten Balkanfans“ wurde von Delije entrollt. Dazu gab es auch ein kleineres GruppAOF Banner, angeblich in Anlehnung an die übertriebenen und gerne gesehenen Internetauftritte einiger Partizan Fans. Die Lautstärke der Gäste wurde immer lauter und nach einer Ecke fiel das überfällige 0:2 und der Gästeblock nahm das Stadion akustisch komplett ein. Partizan kämpfte nun wacker dagegen und kam zu immer besseren Chancen, sodass das Stadion wieder zum Heimstadion wurde. Das 1:2 löste noch einmal ein Beben aus und wieder brannte die Hintertorkurve Partizans, der Torjubel und die Pyro waren brachial.
Roter Stern konnte seine 100-prozentigen Konterchancen nicht nutzen und hatte großes Glück, dass ihr brasilianischer Goalie Mattheus 2-3 Bälle in den letzten 10 Minuten sensationell rausholte und wir das so herbeigesehnte 2:2 doch nicht mehr erleben konnten. Die Heimkurve applaudierte munter ihrem jungen Team und so gar keine negative Energie wegen des verlorenen Derbys war zu spüren. Zvezda feierte noch kurz mit ihrer Mannschaft, dieser Pflichtsieg war schlussendlich jedoch keine große Überraschung gewesen.
Das ewige Derby kann Viel, wenn alle Seiten des Stadions einsteigen, wird die Lautstärke brutal und die vielen Fackeln liefern ein sensationelles Bild. Vereinzelte Böllerwürfe auf untenstehende Beamte sind die einzigen ,,Gewaltexzesse“. Das soll vor etlichen Jahren noch deutlich krasser gewesen sein, aber auch in der heutigen Zeit gehört es zu den besten Derbys Europas und damit auch der Welt. Natürlich, im sonstigen tristen Ligaalltag spielen beide Szenen nur vor wenigen tausend Zuschauern, aber auf internationaler Ebene oder eben im ewigen Derby ist das verdammt gut. Das Stadion von Zvezda fasst noch einmal 20.000 mehr Zuschauer und ist folglich noch auf meiner To-Do Liste. Nach dem Spiel gab es noch lokales Cevapcici und der Heimflug am Sonntag wurde mehr als nur zufrieden angetreten.