…dachte sich wahrscheinlich mein Reisepartner Nick als er ernsthaft vorschlug, den Flixbus über Nacht nach Schweden zu nehmen. Ein Flug inklusive der einen weiteren Hotelnacht wären etwa 70€ mehr Unkosten gewesen, die ,,vielen“ Länderpunkte kann sich die Hamburger Arbeiterklasse aber nur so auch leisten. Wenn man diese Höllenfahrt also bucht, ist die erste Reihe (links am besten) eine warme Empfehlung. So vergingen die ersten Stunden recht schnell, kurz vor Dänemark muss auf der Fähre kurz ausgestiegen werden, fürs Beine vertreten sogar ganz angenehm, ehe es fünf weitere Stunden Richtung Göteborg ging. Über Nacht anreisen ist die eine Sache, die Müdigkeit spürbar im ganzen Körper, um sechs Uhr in der Früh schon am Ziel anzukommen, die Freude war groß. Wie überbrückt man jetzt die Zeit?

Schwimmen natürlich! Alternative Vorschläge, wie etwa das Kino (öffnet i.d.R. nicht so früh), Stadtbummel, der Freizeitpark, wurden vorher intensiv eruiert, aber abgelehnt und die Schwimmutensilien eingepackt. Als das Schwimmbad um Punkt 7 Uhr öffnete, standen wir mit den Rentnern und Samstagsschwimmern in der ersten Reihe um reinzustürmen.  Das Schwimmbad Valhallabadet besitzt zwei große Becken, eine kleine Sauna und einen kleinen Whirlpool. Acht Euro für drei Stunden ist ein sehr fairer Preis, wenn euch gefühlte Leistungsschwimmer nicht stören und ihr den Whirlpool nach 10 Minuten 10 Minuten ausruhen lässt (ja wirklich, die lokale Rentnergang wurde da richtig aggressiv). Es ist eine nette Alternative um einen Vormittag gut rundumbekommen. Komplett überrascht ist man übrigens dann, wenn man Fans (mit Handtuch und Badehose) seines Vereins im Whirlpool trifft. Das sollte dann auch nicht das letzte Mal am Wochenende sein, Hopper sind und bleiben auf ewig das eine, (Hopper)Schweine! 

01.06.2024, 11:00 Uhr, Åbyvallen (Möllndal), 250 Zuschauer – Fässbergs IF 0:1 Hällesåker IF  

Nach den drei Stunden sportlicher Betätigung wurde sich kurzfristig entschieden, dass gute Wetter weiter auszunutzen und vor dem Erstliga Spiel noch beim Fünftligisten Fässbergs IF das 11 Uhr Spiel mitzunehmen. Eine riesige Anlage etwas außerhalb Göteborgs mit bis zu acht Plätzen, auf dem Hauptground mit einer Haupt- und Gegentribüne gesegnet. Die Gegentribüne zum Teil noch aus Holz gebaut, das hat etwas Charme. Weniger Charme, sondern eher nervig waren die 50 Kronen Eintritt. Zahlbar nur über die schwedische Zahlapp Swish (für die man einen schwedischen Bankaccount benötigt), sodass die Damen über uns ausländische Touris sichtlich überrascht waren. Kredit oder sonstige Zahlkarten wurden nicht akzeptiert, Bargeld nicht angenommen. Als die Damen mittlerweile schon zehn Minuten nach Wechselgeld suchten, wollte uns ein Offizieller (zumindest habe ich das mit meinen zwei Wörtern Sprachverständnis Norwegisch (ist ja doch etwas ähnlich mit Schwedisch) so von deren Diskussion verstanden), als dann doch der Wechselschein aus der letzten Ecke anflog.  Das Spiel wurde (fast durchgehend) von einer Klein -Kindergruppe (mit Trommel) ,,supportet“, half der Heimmannschaft bei ihren 20 Großchancen (x-Goals über 5 würde ich behaupten) allerdings nicht den Ball ins Tor zu tragen, sodass die Gäste aus dem nichts in Führung gingen und am Ende 0:1 gewannen. Durch den mehrmals einsetzenden Sekundenschlaf auf der Tribüne und dem gleichzeitig anbahnenden Sonnenbrand verpassten wir, uns um die Rückreise in die Stadt zu kümmern.

01.06.2024, 15:00, Gamla Ullevi Göteborg, 17.130 Zuschauer, 1200 Gäste – IFK Göteborg 1:0 IF Elfsborg

Dennoch genau pünktlich kamen wir im Gamla Ullevi an. Leider ein Neubau, das alte Ullevi wird nur noch selten bespielt (gibt es aber immerhin noch). Zum sogenannten ,,Västderbyt“ war der Gästeblock von Elfsborg gut gefüllt, welche als Einstieg eine in Vereinsfarben gehaltene Pappenchoreo brachten. Okay, nichts Besonderes, aber der Gästeblock ist auch schwierig in die Länge gezogen und Bora ist keiner der ganz großen Vereine Schwedens. 

Göteborg dankte mit einigen Spruchbändern ihrem alten Kapitän Sebastian Eriksson, der vor dem Spiel verabschiedet wurde und mit 35 in Fußballrente geht. Das 15.te Spiel mit ausverkauften Heimbereich und das trotz einer sportlich eher schwierigen Lage, sorgte dennoch für gute Stimmung des IFK. Die komplette Supporter-Tribüne zog fast durchgehend mit, was bei einem Ober- und Unterrang nicht immer leicht zu koordinieren ist, wurde hier gut umgesetzt. Mitte der ersten Halbzeit gratulierten die Ultras Göteburg mit einer Rauchshow aus den Farben beider Vereine (blau/weiß und rot/schwarz) den UN (Ultras Nürnberg) zu Ihrem 30-jährigen Bestehen. ,,Alles Gute zu 30 Jahre UN“. Der Gratulation kann ich mich aus subjektiven Gründen nicht anschließen, aber es sah trotzdem gut aus und war das optische Highlight des Spiels.

In der zweiten Halbzeit legten die Gäste nach und nebelten das Stadion für fünf Minuten mit gelbem und weißem Rauch ein. Sah optisch auch gut aus! Ansonsten gab es auf beiden Seiten noch einige vereinzelte Fackeln, die aber eher dem spannenden und engen Spiel zum Opfer fielen. Göteborg ging in Führung, igelte sich danach aber tief in die eigene Hälfte ein und spielte auf Zeit. Elfsborg, das spielerisch klar bessere Team, hatte jedoch große Probleme in der Chancenerarbeitung, sodass der IFK am Ende knapp das Spiel für sich entschied. Der ,,Lokal“-Sieg wurde gelassen gefeiert und für uns ging es nun weiter nach Stockholm. Die Zugfahrt von Göteburg nach Stockholm verlief entspannt (Beinfreiheit fast schon größer als in der ersten Klasse der DB) und so ging es nach kurzer Fast-Food Pause zur sehnlichst erwartenden Unterkunft. Die Buchung wurde ausschließlich aufgrund des Preises (30€ p.P. + unfassbar freche 10€ für Handtuch und Bettlaken) vorgenommen. Zudem wusste ich noch, dass es nur Gemeinschaftsbäder gibt. Auch das ist nicht so wild. Komplett überraschend war es aber dann, dass sich das ,,Hotel“ in einem Museum eines ehemaligen Strafgefängnisses befindet. Unser Zimmer bestand also aus einer engen Zelle mit einem Etagenbett. Fragwürdig, aber bei unserer körperlichen Verfassung auch egal, sodass wir hier wie Murmeltiere schlafen konnten.

02.06.2024, 14:00 Uhr, Tele2-Arena, Stockholm, 27.344 Zuschauer, ausverkaufter Gästeblock – Djurgårdens IF 0:3 Hammarby IF

Meine Erwartungen waren vor Reiseantritt verdammt hoch. So hoch, dass ich mich immer wieder etwas bremsen musste und versuchte die Euphorie zu bremsen. Vor ziemlich genau einem Jahr war ich beim Oslo Derby (Vålerenga – Lillestrøm) und dieses wurde für mich zu meinem spektakulärsten und unerwartet geilsten Spiel in meiner bisherigen Hopper-Karriere. Schweden ist bekanntlich noch einmal deutlich zwei Ebenen darüber, die jährlichen bekannten Videos und Fotos sorgen in den Gruppen immer wieder für Erstaunen. Wir checkten also aus und schlossen unser Gepäck für 30(!)€ am Busbahnhof ein und machten uns mit der U-Bahn (bezahlbar mit Kreditkarte) auf zur Tele2-Arena. 

Im Stadion am DIF Mob vorbei, der sah schon stabil aus, saßen wir drinnen selbst deutlich näher am Gästemobs Hammarby. Dieser erzeugte, obwohl der Block noch nicht einmal halb gefüllt gewesen war, schon eine gute Lautstärke. Auf beiden Seiten sah es auch schon nach etwas größeren Choreographien aus, das gute Gefühl kam und Erwartungen schienen sich zu erfüllen. DIF zog an einem Netz eine große Choreographie in Form von drei Personen, eine Familie, mit einem Ball am Kopf, sinnbildlich ist vielleicht gemeint, dass der Fussball immer in unseren Köpfen ist, im Hintergrund ein Fahnenmehr und abgerundet wurde diese beeindruckende Darstellung mit dem oberen Schriftzug ,,med stil och klass (mit Stil und Klasse), Kör tunnlar och korta pass.“ Und dem unteren auf dem Spielfeld befindlichen Spruch ,,Kampaglöd och elegans – Järmkaminerna bjuder upp till dans (Kampfgeist, Glamour und Eleganz, Eisenhöfen laden zum Tanz.“ Sinngemäß schwierig zu übersetzen, ist Järnkaminerna (iron stoves, Eisenöfen) die Bezeichnung des größten Fanklubs Djurgårdens.

Auf der Gegenseite zog Hammarby über Unter- und Oberrang eine riesige Blockfahne hoch, darauf zu sehen war ein DIF Spieler am Boden liegend und ein Hammarby Spieler, welcher stehend einen Finger auf den Gast zeigt und diesen beleidigt. Zudem der Spruch ,,Dom Blårandiga! Ora ät helvete (Blårandiga Fahrt zur Hölle)“, auch hier umgeben von einem Fahnenmeer, Hintergrund hier ist ein Derby aus dem Jahr 2006, als ein HIF Spieler (Marteinsson) einen DIF Spieler (Mattias Jonson) beleidigte, weil jener seinen Hammarby Torwart überhart foulte und anschließend vom Platz flog. Quelle der Hintergrund-Story ist im Übrigen der ,,Schwechheimer Landbote“. Beides unglaublich beeindruckend, auch das beide unterschiedliche Grafik-Designs einsetzen. Einmal Modern und einmal eher in Richtung 3D- Ebene.

Der DIF Support war lange auf guten Niveau, aber von unseren Plätzen schwierig objektiv zu beurteilen und zu hören. Hammarby zog eine unfassbare Show ab und überzeugte mit fast 100% Support, Hüpf- und Klatscheinlagen. Das Spiel kam den ,,Gästen“ auch stark entgegen, Hammarby dominierte nach Belieben die Heimmannschaft.  DIF spielte, trotz zuletzt fünf Siegen in Folge, absolut behäbig und ohne absoluten Willen und Einsatz. Hammarby gewann hochverdient mit 0:3 und zog als krönenden Abschluss zum bekannten Gesang ,,Always look on the bright side of life,“ eine (erneut große) Figur im Hammarby-Trikot hoch, die seinen großen Mittelfinger in Richtung Heimkurve zeigte. Diese soll einen schwedischen Musiker (Kenta Gustafsson, Fan) zeigen. Im Hintergrund brannte es dann zum ersten Mal mit bestimmt an die 50 Fackeln hell auf. Endlich doch noch etwas Feuer, vorher gab es nur immer wieder sehr vereinzelt, dafür oft, kleinere Bengalos, war ich doch etwas enttäuscht, dass da nichts mehr kommen sollte. Während DIF innerhalb von fünf Minuten ihr Material einrollte und den Block verließ, feierten Hammarby so ausgelassen den Derbysieg. Hammarby ist mir vor Reiseantritt (rein durch Fotos und Videos) am sympathischsten aus Stockholm gewesen und hat dies durch einen erneut denkwürdigen Auftritt fett unterstrichen. Ich habe mir jedoch fest vorgenommen, die großen Drei alle auswärts bei kleineren Vereinen mal anzuschauen, dann ist der Support wahrscheinlich deutlich besser wahrzunehmen als in einem lauten Derby.

Wurden meine hohen Erwartungen erfüllt? Eindeutig. Schweden ist berüchtigt für seine Ultraszene in den Topvereinen und liefert dementsprechend ab. In diesem Derby gab es nicht ganz so viele Pyro-Shows, aber auch dieses Mittel wird ja irgendwann öde, wenn es wirklich immer krass abgefeuert wird.

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